Auf der Freiheit statt Angst waren viele Schilder zu sehen, die sich mit Freiheit und Sicherheit beschäftigten, allen voran das bekannte "Wer Freiheit für Sicherheit aufgibt, verdient weder Freiheit noch Sicherheit" in verschiedenen Variationen. Worüber aber quasi nie gesprochen wird, ist, dass Sicherheit für den Obdachlosen auf der U-Bahn-Bank oder den vage arabisch aussehenden Jogger oder den Behinderten viel wichtiger ist als für den erfolgreichen Mitteleuropäer, der Angst vor Terror oder vage arabisch aussehenden Joggern oder Obdachlosen auf U-Bahn-Bänken hat. Natürlich kann man Angst nicht pauschal nach Zahlen beurteilen, aber die eine Bedrohung ist greifbar, konkret, alltäglich und real - die andere nicht. Wer diese alltägliche Gefahr nicht kennt, kommt leicht auf die Idee, dass im großen und ganzen Sicherheit, Ordnung, Wohlstand herrschen, die "von außen" bedroht sind. Stattdessen ist es mit der Sicherheit wie mit der Freiheit: sie ist immer auch die Sicherheit der Anderen.
An sich sind Sicherheit und Freiheit vom Grundprinzip her also gar nicht groß gegensätzliche Begriffe. Sicherheit dient dazu, uns zu befähigen und zu ermutigen, uns frei zu bewegen - wenn ich bedroht bin oder mich bedroht fühle, kann ich nicht ungezwungen handeln, mich nicht ungezwungen äußern. Auf diesem Sicherheitsverständnis fußen Rechte wie Meinungsfreiheit, Unverletzlichkeit der Wohnung, Privatsphäre, Briefgeheimnis etc., und diese Sicherheit wird durch ausufernde Überwachungsgesetze verletzt. Denn mit staatlicher Willkür und verdachtlosen Grundrechteingriffen geht nicht nur meine Freiheit verloren, sondern ich fühle mich auch nicht mehr sicher.
Noch einmal zur gefühlten Angst: nun kann man argumentieren, dass die Menschen, die eine herumliegende Plastiktüte der Polizei melden, weil sie einen Sprengsatz befürchten, durch ihre Furcht ebenso eingeschränkt werden wie diejenigen, deren Ängste auf Fakten, Erfahrungen und realen Statistiken beruhen. Das trifft aber auch auf Menschen mit generalisierten Angststörungen, Panikattacken oder Phobien zu. Es ist nicht Aufgabe des Staates, uns vor unseren Befürchtungen zu schützen. Es ist Aufgabe des Staates, uns vor gesamtgesellschaftlichen und realen Bedrohungen auf staatlicher und gesellschaftlicher Ebene zu beschützen. Das sind zum Beispiel Naturkatastrophen (sofern man sich davor schützen kann: Frühwarnsysteme, Evakuierungspläne und Katastrophenhilfe sind entsprechende staatliche Aufgaben), Krisen (Hunger, Krieg, wirtschaftlicher Zusammenbruch) oder Kriminalität (so ziemlich jede nicht-natürliche Bedrohung ist Kriminalität in irgendeiner Form - auch Terror ist ja kriminell).
Für empfundene, überproportionale, spezifische Ängste sind aber Therapeuten zuständig - nicht die Politik.
Worauf ich hinaus will: Es wird immer wieder argumentiert, Überwachung solle zu unserer Sicherheit beitragen. Das entkräftet man nicht, indem man Terror verneint, verharmlost oder von Freiheit redet - die Gegenüberstellung von Freiheit und Sicherheit selbst ist schon Bestandteil des Arguments. Wenn wir nicht mehr von Freiheit statt Sicherheit, sondern von Sicherheit durch Freiheit sprechen, wäre schon viel gewonnen.