Das Klaus

Gesammelte Werke

08.02.2014

Warum ich mir wünsche, dass Gender irrelevant wird

Das Schöne am Internet ist, dass der folgende Satz für manchen Leser möglicherweise überraschend kommt: ich habe zwei X-Chromosomen.

Das Konzept "Frau", das soziale Konstrukt, passt nicht zu mir. Es steht mir einfach nicht. Es hängt formlos an mir herab, kneift an anderen Stellen, fühlt sich hässlich und unangemessen an. Ich möchte es nicht tragen, nicht als Identität und nicht als Label. Das soll nicht heißen, dass es schlecht ist - es ist nur nicht meins.

Nun bin ich mit zwei X-Chromosomen geboren, und daran lässt sich nichts drehen. Ich bin weiblich sozialisiert: wir lernen durch Feedback, und Menschen haben mein Leben lang auf mich als Frau reagiert - als würde ich dieses Kostüm freiwillig tragen, als hätte ich es mir ausgesucht, würde ein Statement damit abgeben. Ich kann das nicht abschalten oder ungeschehen machen. Ich kann nicht einfach die Seite wechseln und so tun, als sei das nie passiert. Ich gäbe sicher auch keinen allzu guten Mann ab, weil mir darin die Übung fehlt.

Der Name Klaus hat mir an dieser Stelle sehr geholfen. Er distanziert mich von der physischen "Frau"-Verkleidung, sorgt dafür, dass Menschen mich in einen anderen Kontext setzen. Da ich nicht überzeugend als Mann auftreten kann, befördert mich der Name allein nicht auf die andere Seite - aber das muss er auch nicht. Er genügt, um mich auf diesem Spektrum an einen gemütlicheren Ort zu setzen. Ich disqualifiziere mich als Vertreter eines bestimmten Geschlechts, und statt mich sofort klassifizieren zu können, bleibt für andere eine Lücke dort, wo sie sonst das Geschlecht markieren. Das kann zunächst verunsichernd und unangenehm sein. Das Gefühl, dass dort etwas stehen müsste und es eine binäre Antwort braucht, betrifft viele Menschen, auch die, die offen und wohlmeinend sind. Das ist okay. Es ist auch okay, wenn es eine Weile dauert, bis man sich an die Lücke gewöhnt hat. Ich finde es auch nicht problematisch, wenn Menschen dort etwas eintragen, das ich nicht so angeben würde - Menschen dürfen von mir denken, was sie wollen, und sie dürfen mich auch als zu einer Gruppe zugehörig empfinden, der ich mich nicht selbst zuordne. Ich bin unempfindlich, was Pronomen angeht - er, sie, es, egal. Wenn man bedenkt, dass jede Katze zunächst eine "sie" ist und jeder Teppich ein Mann, ist das pure Grammatik und hat mit Geschlecht weder im biologischen noch sozialen Sinn zwangsläufig etwas zu tun. Aber dort, wo meine Gesichtsform, Stimme und Figur "Frau" sagen, wirft der Name Klaus diese Schlussfolgerung aus der Bahn. Er zwingt andere, einen Schritt zurückzugehen, neu zu denken, im Idealfall: die Zuordnung ersatzlos zu streichen. Es ist doch auch egal.

Klaus begleitet mich seit der neunten Klasse, ich fühle mich darunter angesprochen. Werde ich Klaus genannt, bin ich gemeint. Mein Geburtsname ist wie ein unangenehmer Spitzname, unter dem ich innerlich immer ein wenig zusammenzucke, aber es nicht wage, es Leuten übelzunehmen, ihn zu verwenden. Im beruflichen Umfeld ist das schwierig, umso konsequenter bin ich im Privaten - meinen bürgerlichen Namen rücke ich, sofern es vermeidbar ist, gar nicht erst heraus. Ich möchte Leuten nicht Gelegenheit zu geben, ihn mir der Bequemlichkeit halber anzuheften, um ein Umdenken, ein Innehalten zu umgehen.

Meine ideale Welt sieht vor, dass Geschlecht im Sinne von Gender keine Rolle spielt, gar nicht existiert. Das biologische Geschlecht ist eigentlich nur relevant für Fragen der Fortpflanzung und ob man Tampons kaufen muss. Und es kann bei der Partnerwahl eine Rolle spielen: viele Menschen haben Vorlieben, was die Beschaffenheit der Geschlechtsorgane ihrer Partner angeht, fühlen sich oft nur zu einer bestimmten Konfiguration hingezogen, erwarten Konsistenz in Pheromonen, Körperbau und Genitalien. Und sonst?

Geschlecht im Gendersinne jedenfalls hat meiner Ansicht nach keinen erkennbaren Nutzen und auch keine tatsächliche Bedeutung - dazu sind die Überschneidungen derer, die das eine oder andere Label verwenden in den Merkmalen, für sie sie es verwenden, einfach zu groß. Wenn die Frage nach den Unterschieden zwischen Männern und Frauen gestellt und ein messbarer statistischer Unterschied als natürlich dargestellt wird, dann bleibt immer offen, woher die Kontrollgruppe kommt, anhand derer man das beurteilen könne. Welchen Einfluss die Jahrtausende Sozialisierung und Prägung, die Stereotype und geschlechtsabhängige Erziehung haben, lässt sich erst dann zweifelsfrei zeigen, wenn man eine in jeder anderen Hinsicht gleiche Kultur findet, die solche Unterschiede nicht kennt.

Derlei Utopien sind allerdings nutzlos. Für die meisten Menschen ist das Geschlecht ein integraler Bestandteil der Identität und eins der ersten Merkmale, anhand derer schon Kinder einander sortieren und voneinander abgrenzen. Ich halte es für möglich, dass es der frühesten Identitätsbestandteil überhaupt ist. Wir werden uns immer definieren über Merkmale, die wir schnell und in der Regel eindeutig identifizieren können. Es wird immer eine Antwort erwartet auf die Frage "Junge oder Mädchen", und es wird auch immer jemanden geben, der die Frage stellt. Und solange werde ich leise seufzen, hoffen, dass das Drama ausbleibt, und antworten: "Nein".