Das Klaus

Gesammelte Werke

02.10.2014

Humor als Politikum

Gerne wird Gesellschaftskritik als humorlos bezeichnet. "Du verstehst aber auch keinen Spaß" gilt aus irgendeinem Grund als legitime Verteidigung von Sexismus, Rassismus und allen möglichen anderen -ismen, oder auch gewöhnlicher Beleidigung. Damit steht die Befürwortung des ungezügelten Humors auf einer Stufe mit der Forderung nach dickem Fell, die ebenfalls eher problematisch ist.

Dabei handelt es sich um eine einfache Werteabwägung - Spaß und Witz werden über Gerechtigkeit oder Höflichkeit gestellt. Die Freiheit, zu beleidigen, über die Freiheit, nicht beleidigt zu werden. Und, so wenig ich die Rhetorik mag, Täterrechte über Opferrechte. Das ist nicht besonders überraschend, wenn man bedenkt, dass es bei Diskriminierung und sozialer Ungerechtigkeit immer viel mehr Täter als Opfer gibt. Das macht Machtverhältnisse in der Regel aus.

Dergleichen Wertehierarchie findet sich sehr oft in Argumentationen. Man denke nur daran, dass die Breast Cancer Research Foundation den Namen "save the ta-tas" trägt, als wäre das Ziel von Brustkrebsfrüherkennung, Brüste zu retten und nicht Menschenleben (schließlich kann auch eine Früherkennung eine OP oft nicht verhindern - wohl aber den Tod der Betroffenen). Oder die "Consent is Sexy"-Kampagne für verbalisierte Einvernehmlichkeit im sexuellen Kontakt, als wäre Sexiness bedeutsamer als verhinderte Vergewaltigungen. Das ist natürlich unfair diesen Kampagnen gegenüber - sie wählen Worte, die etwas bewirken, Aufmerksamkeit wecken, Zustimmung erzeugen. Aber sie zeigen damit auch, wo die Prioritäten ihres Klientels liegen.

Prioritäten sind individuell verschieden

Man muss ja nicht gleich Menschenleben gegen Brüste aufwiegen: die meisten Meinungsverschiedenheiten über Humor entstehen zwischen mildem Vergnügen und milder Entrüstung, und welche Auffassung "richtig" ist, liegt im Auge des Betrachters, insbesondere, da sowohl Vergnügen als auch Entrüstung persönliche Empfindungen sind, die nicht durch Fremdzuschreibung gemessen werden können. Was wie verletzend ist, lässt sich nicht objektiv festschreiben. Es gibt durchaus Interpretationen, die verbreitet oder allgemein anerkannt sind, aber letztendlich bleibt es persönliche Einschätzung und kann daher nicht anderen aufgestülpt werden. Umgekehrt gilt das natürlich ebenso für Humor.

Humor ist nicht universell

Es gibt keine objektive Lustigkeit. Ob ein Witz gut oder schlecht ist, hängt immer vom Betrachter ab. "Ach komm, der war jetzt wirklich witzig" ist eine persönliche Einschätzung. Niemand kann festlegen, was ein anderer wie witzig zu finden hat. Genauso kann niemandem vorgeschrieben werden, dass er etwas nicht lustig finden darf. Es bedarf also Kommunikation über die eigenen Gefühle, nicht Streit um die Zulässigkeit derer des Anderen. Im Klartext heißt das: jeder darf die Witze machen, die er will, und jeder darf die Witze kritisieren, die er will. Kritik an Äußerungen wird nicht ungültig, wenn die Äußerung für den Äußernden irgendwie doch aber lustig war.

Humor hat ein Narrativ

Nicht, worüber gescherzt wird, ist inhärent problematisch, sondern welche Geschichte damit erzählt wird. So gibt es eine Menge Humor, der ohne Opfer auskommt, und ebensoviel, der Diskriminierung angreift, anstatt sie zu reproduzieren. In emotional belastenden Berufen oder Lebenssituationen greifen manche Menschen auf Galgenhumor zurück, finden also durchaus komische Elemente in Dingen, über die man normalerweise nicht spaßt. Galgenhumor ist gekennzeichnet davon, das Menschen über sich selbst oder ihre Situation lachen, nicht das Leid anderer zur Pointe relativieren. Das wird deshalb wenig kritisiert, weil geschmackloser Humor nicht zwangsläufig den Ernst einer Sache abstreiten muss.

Bedenklich ist, dass eine große Menge an Witzen über Tabuthemen sich explizit über Benachteiligte lustig machen. Das liegt nicht am Thema, sondern am Narrativ - die Benachteiligung selbst wird zum witzigen Element erklärt. Dabei ließe sich der Spieß ohne Weiteres auch umdrehen. Es ist zum Beispiel für Judenwitze nicht nötig, bestehende Klischees zu bedienen und sich über Juden lustig zu machen. Denn genausogut (und viel besser!) kann man über Menschen mit antisemitischen Vorurteilen lachen, oder über antisemitische Verschwörungstheorien. Es kommt nicht darauf an, über wen man redet, sondern über wen man am Ende lacht. (Das soll nicht heißen, dass Judenwitze zum guten Ton gehören.) Niemand erklärt das besser als Lindy West anhand von Vergewaltigungswitzen.

Es gilt immer noch, dass das nicht jeder lustig findet, dass es immer möglich ist, unbeabsichtigt Leute zu verletzen, und dass man ein Arschloch ist, wenn man absichtlich Leute verletzt, oder sich über die Verletzung selbst lustig macht.
Es gibt eine Sorte ach-so-lustiger-Youtube-Videos, die es in den Mainstream geschafft haben, die Menschen bei Unfällen zeigen. Kinder, die vom Skateboard fallen. Motorradfahrer, die nach einem halben Looping in die Sandbahn stürzen. Betrunken Tanzende, die vom Tisch rutschen. Schadenfreude aus der Konserve. Ich halte den Humor eines Menschen für ein recht gutes Aushängeschild eines Charakters. Schadenfreude ist das Äquivalent von Sadismus. Der wird dadurch nicht besser, dass dabei gelacht wird.

Fazit

"Keinen Sinn für Humor" zu haben, ist daher mitnichten ein Charakterfehler. Die meisten Menschen, über die das gesagt wird, finden durchaus auch Dinge lustig, nur eben andere. Schwarzer Humor ist weder eine elitäre Königsdisziplin der Komik, noch etwas, das immer zu Lasten der Unterdrückten gehen muss. Und Humor ist keine Enschuldigung für Diskriminierung. Niemals.