Das Klaus

Gesammelte Werke

07.09.2015

Eine Bitte

allerliebster technonachbar
ist weniger techno machbar?

ich will nicht viel, ich brauche nichts von dir
doch meine ruhe hätt ich gern zuhause, hier
weißt du, ich schlafe nicht nur nachts
doch sink ich in in die kissen, kracht's
und rummst's und dröhnt's in einer tour
nicht laut, nicht spät, nicht ständig, nur
so penetrant und monoton
ich wünsche mir ein megafon

durch dünne wände brüllte ich mein klagelied
ein ach, ein weh, ein seufz auf jeden beat
vielleicht wird so ja doch musik daraus
vielleicht auch nicht - ich halt's nicht aus
dass dieser bass so stetig hämmert
unts, unts, unts, unts - ich werd belämmert
kann nicht mehr denken ungestört
ist dir klar, dass man das hört?

die ruhezeiten - zugegeben - hältst du ein
doch muss es wirklich immer techno sein?
ist das nicht schrecklich stumpfsinnig und fad
wenn jedes stück nur drei verdammte töne hat?
und alle stücke pausenlos den gleichen takt
ist das - verzeih - nicht einfach nur beknackt?
weshalb ich nun auf Knien bettel:
hast du nicht ein bisschen metal?
15.06.2015

Junggesellenwohnung - ein Stillleben

brötchen fortgeschrittener gammlung
Kleiderberge gemischten gestanks
bedeckt maximal
jedes horizontal
eine kaffeetütensammlung inhalt des schranks

schwaden aus längst erkaltetem rauch
leere klorollentürme auf fliesen
ein als teller benutzter pizzakarton
geteerte spinnweben auf blankem beton
und auf brackwassertassen nebst verklebtem besteck auch
der toastbrottütenjahresverbrauch

mehr haare im abfluss als auf dem kopf
die tapete schon lang nicht mehr weiß
sitzkissen aus socken
die pflanzen staubtrocken
in der küche ein topf mit schimmelndem reis
19.01.2015

Der letzte Zug

Minuten zu Stunden in peinlicher Stille
dem Sitznachbarn unbekannterweise
ein "Darf ich? Schön' Dank!" beim Besetzen der Bank
und dann wieder leise

Die Fenster zeigen den Reisenden ihr Schweigen
als Metapher klänge das weise
erklärt sich jedoch schnell - außen dunkel, innen hell -
und dann wieder leise

Ein Telefonat, dessen Inhalt sich dreht
um Probleme mit der Empfangsqualität
Räder, die quietschend in Kurven sich neigen
und dann wieder Schweigen
02.10.2014

Humor als Politikum

Gerne wird Gesellschaftskritik als humorlos bezeichnet. "Du verstehst aber auch keinen Spaß" gilt aus irgendeinem Grund als legitime Verteidigung von Sexismus, Rassismus und allen möglichen anderen -ismen, oder auch gewöhnlicher Beleidigung. Damit steht die Befürwortung des ungezügelten Humors auf einer Stufe mit der Forderung nach dickem Fell, die ebenfalls eher problematisch ist.

Dabei handelt es sich um eine einfache Werteabwägung - Spaß und Witz werden über Gerechtigkeit oder Höflichkeit gestellt. Die Freiheit, zu beleidigen, über die Freiheit, nicht beleidigt zu werden. Und, so wenig ich die Rhetorik mag, Täterrechte über Opferrechte. Das ist nicht besonders überraschend, wenn man bedenkt, dass es bei Diskriminierung und sozialer Ungerechtigkeit immer viel mehr Täter als Opfer gibt. Das macht Machtverhältnisse in der Regel aus.

Dergleichen Wertehierarchie findet sich sehr oft in Argumentationen. Man denke nur daran, dass die Breast Cancer Research Foundation den Namen "save the ta-tas" trägt, als wäre das Ziel von Brustkrebsfrüherkennung, Brüste zu retten und nicht Menschenleben (schließlich kann auch eine Früherkennung eine OP oft nicht verhindern - wohl aber den Tod der Betroffenen). Oder die "Consent is Sexy"-Kampagne für verbalisierte Einvernehmlichkeit im sexuellen Kontakt, als wäre Sexiness bedeutsamer als verhinderte Vergewaltigungen. Das ist natürlich unfair diesen Kampagnen gegenüber - sie wählen Worte, die etwas bewirken, Aufmerksamkeit wecken, Zustimmung erzeugen. Aber sie zeigen damit auch, wo die Prioritäten ihres Klientels liegen.

Prioritäten sind individuell verschieden

Man muss ja nicht gleich Menschenleben gegen Brüste aufwiegen: die meisten Meinungsverschiedenheiten über Humor entstehen zwischen mildem Vergnügen und milder Entrüstung, und welche Auffassung "richtig" ist, liegt im Auge des Betrachters, insbesondere, da sowohl Vergnügen als auch Entrüstung persönliche Empfindungen sind, die nicht durch Fremdzuschreibung gemessen werden können. Was wie verletzend ist, lässt sich nicht objektiv festschreiben. Es gibt durchaus Interpretationen, die verbreitet oder allgemein anerkannt sind, aber letztendlich bleibt es persönliche Einschätzung und kann daher nicht anderen aufgestülpt werden. Umgekehrt gilt das natürlich ebenso für Humor.

Humor ist nicht universell

Es gibt keine objektive Lustigkeit. Ob ein Witz gut oder schlecht ist, hängt immer vom Betrachter ab. "Ach komm, der war jetzt wirklich witzig" ist eine persönliche Einschätzung. Niemand kann festlegen, was ein anderer wie witzig zu finden hat. Genauso kann niemandem vorgeschrieben werden, dass er etwas nicht lustig finden darf. Es bedarf also Kommunikation über die eigenen Gefühle, nicht Streit um die Zulässigkeit derer des Anderen. Im Klartext heißt das: jeder darf die Witze machen, die er will, und jeder darf die Witze kritisieren, die er will. Kritik an Äußerungen wird nicht ungültig, wenn die Äußerung für den Äußernden irgendwie doch aber lustig war.

Humor hat ein Narrativ

Nicht, worüber gescherzt wird, ist inhärent problematisch, sondern welche Geschichte damit erzählt wird. So gibt es eine Menge Humor, der ohne Opfer auskommt, und ebensoviel, der Diskriminierung angreift, anstatt sie zu reproduzieren. In emotional belastenden Berufen oder Lebenssituationen greifen manche Menschen auf Galgenhumor zurück, finden also durchaus komische Elemente in Dingen, über die man normalerweise nicht spaßt. Galgenhumor ist gekennzeichnet davon, das Menschen über sich selbst oder ihre Situation lachen, nicht das Leid anderer zur Pointe relativieren. Das wird deshalb wenig kritisiert, weil geschmackloser Humor nicht zwangsläufig den Ernst einer Sache abstreiten muss.

Bedenklich ist, dass eine große Menge an Witzen über Tabuthemen sich explizit über Benachteiligte lustig machen. Das liegt nicht am Thema, sondern am Narrativ - die Benachteiligung selbst wird zum witzigen Element erklärt. Dabei ließe sich der Spieß ohne Weiteres auch umdrehen. Es ist zum Beispiel für Judenwitze nicht nötig, bestehende Klischees zu bedienen und sich über Juden lustig zu machen. Denn genausogut (und viel besser!) kann man über Menschen mit antisemitischen Vorurteilen lachen, oder über antisemitische Verschwörungstheorien. Es kommt nicht darauf an, über wen man redet, sondern über wen man am Ende lacht. (Das soll nicht heißen, dass Judenwitze zum guten Ton gehören.) Niemand erklärt das besser als Lindy West anhand von Vergewaltigungswitzen.

Es gilt immer noch, dass das nicht jeder lustig findet, dass es immer möglich ist, unbeabsichtigt Leute zu verletzen, und dass man ein Arschloch ist, wenn man absichtlich Leute verletzt, oder sich über die Verletzung selbst lustig macht.
Es gibt eine Sorte ach-so-lustiger-Youtube-Videos, die es in den Mainstream geschafft haben, die Menschen bei Unfällen zeigen. Kinder, die vom Skateboard fallen. Motorradfahrer, die nach einem halben Looping in die Sandbahn stürzen. Betrunken Tanzende, die vom Tisch rutschen. Schadenfreude aus der Konserve. Ich halte den Humor eines Menschen für ein recht gutes Aushängeschild eines Charakters. Schadenfreude ist das Äquivalent von Sadismus. Der wird dadurch nicht besser, dass dabei gelacht wird.

Fazit

"Keinen Sinn für Humor" zu haben, ist daher mitnichten ein Charakterfehler. Die meisten Menschen, über die das gesagt wird, finden durchaus auch Dinge lustig, nur eben andere. Schwarzer Humor ist weder eine elitäre Königsdisziplin der Komik, noch etwas, das immer zu Lasten der Unterdrückten gehen muss. Und Humor ist keine Enschuldigung für Diskriminierung. Niemals.


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