Arbeit und  ich haben eine sehr schwierige Geschichte. Ihr kennt dieses Paar, dass  sich einmal im Jahr trennt, einander die Besitztümer des anderen an die  Schädel wirft, sich dann wieder verträgt, eine viel zu kurze gute Zeit  miteinander verbringt und sich dann monatelang hasst, nur um sich auf  die gleiche Weise wieder zu trennen und zu vertragen? Das sind Arbeit  und ich.
Wie  die meisten dieser Paare kennen wir uns schon lange und hatten sowohl  Phasen, in denen wir längere Zeit nicht zusammen waren und welche, in  denen wir uns fast wie in einer gesunden Beziehung zueinander verhalten  haben. Und wir sind mit unrealistischen oder ungenauen Vorstellungen  voneinander großgeworden, mit daraus erwachsenden Ansprüchen, die keiner  von uns erfüllen kann. Dass wir uns nicht glücklich machen, ist quasi  vorprogrammiert.
Als  ich kleiner war, war Arbeit das, was man tut. Irgendwas tut ja jeder  und das, was ein Erwachsener die meiste Zeit tut, ist dann sein Beruf.  Weil ich gerne Dinge tue, wollte ich auch irgendwann einen davon haben,  auch wenn die Wahl mir doch sehr schwierig schien, da sie alle eine  Festlegung auf eine einzige Beschäftigung erfordern. Buchbinder,  Astronaut, Mechatroniker und Tischler haben gemeinsam, dass man nicht  alles davon werden kann, jedenfalls nicht auf einmal.
Berufe  sind außerdem besser als Schule: man sucht sich einen aus, den man mag,  und muss alle die, die man nicht mag, gar nicht machen. Wenn es einem  nicht gefällt, kann man gehen und sich einen anderen suchen. Und dann  kann man sich auch noch zwischen verschiedenen Arbeitsplätzen  entscheiden, so dass man sich auch noch aussuchen kann, in welchem  Umfeld, mit welchen Leuten und zu welchen Bedingungen man arbeitet. Klar  ist das nicht ganz so einfach - damit man eine Wahl hat, muss man gut  sein. Man muss viel können oder viel wissen, am besten beides, damit man  Auswahl hat.
Eigentlich  hat sich an dieser Vorstellung nichts geändert. Ich möchte immer noch  alles auf einmal machen, und kann mir nicht vorstellen, immer nur eine  Sache zu machen. Ich finde es immer noch wichtig und erstrebenswert,  viel zu können und viel zu wissen. Und möchte mir aussuchen, mit welchen  Leuten und zu welchen Bedingungen ich arbeite.
Arbeit  ist auch mit bestimmten Ideen großgeworden. Arbeit erinnert sich an die  Industrialisierung, Fabriken, Schichtarbeit, und daran, dass für alle  die gleichen Regeln gelten, und diese Regeln einerseits eine  Notwendigkeit sind und andererseits Zeichen von Respekt. Wer pünktlich,  sauber und fleißig ist, darf bleiben.
Arbeit  hat auch gelernt, später, dass in dieser Beziehung einer die Macht hat,  nämlich sie, und der andere vom Gesetz Rechte zugestanden bekommt, die  sie leider nicht verletzen darf. Arbeit darf sich nicht nach Belieben  von Leuten trennen. Arbeit darf Leute nur bestimmte Zeit und zu  bestimmten Bedingungen in Anspruch nehmen. Arbeit hat eine Menge  Vorschriften, an die sie sich halten muss.
Das  ärgert Arbeit. Arbeit will, dass ihre Partner verlässlich sind,  kontrollierbar und effektiv. Arbeit legt Wert auf Respekt und Anstand,  auf saubere Schuhe, Pünktlichkeit und Planbarkeit.
Arbeit  weiß nicht, dass es eigentlich darum geht, dass sie erledigt wird.  Arbeit kann das nicht messen. Arbeit misst andere Dinge.
Auf  all diesen anderen Dingen versage ich auf voller Linie. Die "deutschen  Tugenden" sind mir fremd. Ordnung und Sauberkeit bekomme ich noch hin,  wo es nötig ist, in dem Maße, in dem es nötig ist, bei Pünktlichkeit  hört es dann aber auf. Kann ich nicht. Geht nicht. Konnte ich noch nie.  Und von Zuverlässigkeit haben Arbeit und ich ganz, ganz verschiedene  Vorstellungen.
Ich  übernehme gern für das Verantwortung, was ich tue. Mir liegt persönlich  etwas an der Qualität der Dinge, an denen ich arbeite, und an der  Erledigung der mir zugetragenen Aufgaben. Und wenn nachts um drei etwas  daran kaputtgeht, komme ich nachts um drei und mache es wieder heile.  Ich komme aber nicht morgens um sieben, wenn morgens um sieben nichts zu  tun ist, was nicht auch mittags um elf getan werden könnte.
Und  so streiten Arbeit und ich uns, immer wieder. Die meisten Regeln, die  Arbeit aufstellt, sehe ich nicht ein. Ich arbeite, ich werde bezahlt - über alles andere wird gestritten. Arbeit behauptet, ich hätte ein  Problem mit Autorität, ich sehe das anders. Hierarchien sind überall da  nötig, wo Arbeit koordiniert werden muss, wo einer Aufgaben verteilt -  in jedem Angestelltenverhältnis also. Ich akzeptiere die  Entscheidungsmacht von Autorität, schon allein der Effektivität wegen, in dem Bereich, für den sie gilt. Also: ich lasse mir gerne  vorschreiben, was ich tun soll. Ich lasse mir (manchmal widerstrebend)  vorschreiben, wie ich es tun soll. In allem anderen behandle ich Arbeit  wie einen gleichberechtigten Partner. Arbeit mag das nicht. Arbeit sieht  das anders.
Dabei  will ich Arbeit glücklich machen. Ich will stolz sagen "Alles fertig!"  und hoffe auf ein "Gut gemacht!". Ich will es gut machen. Ich will es  Arbeit so gut machen, dass sie mich nie vergisst, dass ich ihr neuer  Maßstab werde, dass ich wertvoll, nützlich bin.
Arbeit und ich, wir hassen uns.
Ich  sage "Alles fertig!" und Arbeit sagt "Du kommst zu spät, und deine  Schuhe sind schmutzig." Und ich bin enttäuscht, und traurig, und wütend  und beleidigt und verwirrt, denn was haben meine Schuhe damit zu tun?  Und wie kann ich zu spät sein, wenn ich erledigt habe, was ich erledigen  sollte?
Arbeit und ich, wir verstehen uns nicht.
Ich  trenne mich. Mal wieder. Sicher nicht für immer. Aber ich weiß wieder  ein Stückchen besser, was ich kann und was nicht. Meine Vorstellung von  Arbeit deckt sich deutlich mehr mit der Tätigkeit eines freien  Mitarbeiters als der eines Angestellten. Ich kann mit gesellschaftlichen  Normen nicht umgehen, habe viele spezifische Wünsche und  Einschränkungen. Ich bin oft krank, habe chronische Schlafstörungen,  lebe immer ein wenig um meine Eigenheiten herum. Arbeit mag Eigenheiten  nicht. Und ich kann das verstehen - all die Regeln, die einzuhalten mir  schwerfällt, haben ihren Sinn und Nutzen. Ich kann keine Extrawürste  erwarten, oder auch nur Verständnis. Für Arbeit bin ich eine  ebensoschlechte Partie wie sie für mich.
In  den letzten Monaten haben sich alle meine Wünsche, Hoffnungen, Hobbies  und Aktivitäten reduziert auf Schlaf. Wenn ich nicht schlafe, versuche  ich, meinen Schlaf vorzubereiten: zur richtigen Zeit das Licht zu  dämmen, mit dem Hund rauszugehen, das richtige Maß an Aktivität und  nachlassender Aktivität zu finden, um früh genug einzuschlafen. Es  reicht einfach nicht. Ich gebe auf. Ich möchte mehr sein als jemand, der  Arbeit hasst und nur an Schlaf denkt.
Was  mache ich stattdessen? Hm, ich habe da diese Firma, deren Webseite ich mal fertigstellen sollte. Und ich  verkaufe da dieses Kartenspiel. Ich kann ein paar Dinge. Ich weiß  ein paar Dinge. Neben klassischer Arbeit gibt es noch eine Menge Nischen, die man sich suchen oder schaffen kann. Vielleicht  gibt es ja Leute, die mit Menschen etwas anfangen können, die Aufgaben  erledigen können und, hm, das Drumrum nicht. Ich mag es sehr, Dinge zu  tun. Ich werde nicht aufhören, Dinge zu tun. Vielleicht blogge ich ja  auch endlich mal wieder. Check.